Aufstellungen sind ein im Wortsinn trans-personales Verfahren, Einsichten und Lösungsmöglichkeiten zu gewinnen, die bisher unzugänglich waren. Sie schließen den uns vertrauten personalen Bereich (innerseelisches Erleben, familiäre und soziale Beziehungen) ein und gehen zugleich darüber hinaus: in Aufstellungen werden Zusammenhänge und deren Wirkungen abgebildet, die oft über mehrere Generationen zurückliegen, die mit dem Schicksal einer Volksgruppe oder Nationen verbunden sind und mit einem kollektiven Gedächtnis, an dem wir teilhaben und dessen Wahrnehmung erstaunliche Lösungsschritte ermöglichen kann.
Zentrales Arbeitsmittel in Aufstellungen ist die „stellvertretende Wahrnehmung“, eine grundlegende menschliche Fähigkeit, die Erfahrungen anderer Menschen im eigenen Inneren nachzuvollziehen, d.h. körperlich und gefühlshaft zu „wissen“, ohne zuvor über diese fremden Erfahrungen informiert zu sein. Diese Fähigkeit ist altes Menschheitswissen, über das die TeilnehmerInnnen eines Aufstellungs-seminars, auch ohne jede Vorerfahrung, von Natur aus verfügen.
Die Orientierung bei der Lösungssuche wird geleitet von Gesetzlichkeiten, die in Familien und anderen Gruppen wirksam sind. Die Nicht-Beachtung dieser Gesetzlichkeiten in Gruppen hat unter Umständen großes Leiden zur Folge, während ihre Beachtung heilsame Wirkungen hat. Zu diesen Gesetzlichkeiten gehören zum Beispiel: das gleiche Recht aller Mitglieder einer Familie (eines Systems) auf Zugehörigkeit, unabhängig von jeder moralischen Bewertung; die Unveräußerlichkeit des eigenen Schicksals, das heißt der eigenen Leiden und der eigenen Schuld – zum Beispiel können Kinder nicht die Lasten der Eltern tragen, sondern sie dürfen und müssen ihren Eltern die Würde ihrer Bürde lassen und ihr eigenes Leben entfalten; die anerkennende Einbeziehung der Vorfahren, der gestorbenen Angehörigen und der zum Beispiel durch Kriegsschicksal mit der Familie Verbundenen führt zu einer natürlichen Beruhigung und Kräftigung der Lebenden.
Die Rolle des Therapeuten bei Familienaufstellungen
Die Durchführung von Aufstellungen setzt eine gründliche therapeutische Qualifikation voraus und die gute Kenntnis einer Reihe von bewährten therapeutischen Verfahren, die ja die fachlichen Ahnen und Geschwister der Aufstellungsarbeit sind. Herzstücke der therapeutischen Arbeit ist das Einnehmen einer phänomenologischen Haltung im Sinne von offener, absichtsloser Wahrnehmung, ähnlich wie die „gleichschwebende Aufmerksamkeit“ (S. Freud) in der Psychoanalyse. Auf diese Weise wird das für Aufstellungen typische „wissende Feld“ gefördert, jenes geistige Informationsfeld, in dem die unbewusste Teilhabe des Aufstellenden an Leben und Schicksal seiner Familienmitglieder enthalten ist und in den Wahrnehmungen der StellvertreterInnen anschaulich wird.
Die Hilfe für Klientin und Klienten besteht in einer genauen Klärung des zentralen Anliegens für das vorliegende Seminar und in der Unterstützung beim Aufstellen der StellvertreterInnen: am besten ohne vorgefasstes Bild und ganz gefühlsgeleitet.
Die Hilfe für die StellvertreterInnen heißt zusammengefasst „man kann Stellvertretungen nur richtig machen“ – das heißt, man lässt die auftauchenden körperlichen, emotionalen und mental-gedanklichen Phänomene zu, was immer sie beinhalten, und dabei kann man in der Tat keine Fehler machen.
Die Lösungssuche entwickelt sich aus der Wechselwirkung von Annahmen und Hypothesen des Therapeuten mit den Feldhinweisen (Wahrnehmungen der StellvertreterInnen) in mehreren Zyklen, bis alle an Klarheit gewonnen haben.
Zu den Hypothesen des Therapeuten gehören vor allem: schwere Schicksale wie früher Tod und Verlust, Krieg, Vertreibung, erlittenes oder selbst zu verantwortendes Unrecht, körperliche und geistig-seelische Behinderungen oder schwere Krankheiten – all das kann zu leidverursachenden Dynamiken führen wie Ablehnung und Ausschluss von Familienmitgliedern mit dem unbewussten Versuch von Kindern und Enkeln, so wie diese Ausgeschlossenen zu fühlen und zu handeln und sie so wieder zu er-inneren, sie wieder einzubeziehen. Kinder oder Enkel erleben dann eine befremdliche Schuld oder ein unerklärliches Leid.
All das kommt in Aufstellungen ans Licht, findet Ausdruck in intensiven Gefühlen und führt zu Einsichten, die zunächst nicht vorstellbar, überraschend und herausfordernd sein können, die vor allem aber unser Herz berühren und uns Mut fassen lässt. Dabei sind in erster Linie die Körpersignale wegweisend – Aufstellungen sind eine Form sehr sorgsamer Körpertherapie.
Die Integration der Erfahrungen in eine Achtsamkeitspraxis im Alltag: sich selbst und die wichtigen Nächsten im Licht der Lösungserfahrungen sehen und danach zu handeln beginnen, vor allem in typischen problemauslösenden Situationen, in denen die alten Muster gerne wachgerufen werden. Gute Zutaten dabei sind Geduld, eine forschende Neugier und das Vergnügen, mehr Raum im eigenen Leben zu gewinnen.